Gibt es einen internen Vermerk mit der Aussage, es gebe keine Bedenken gegen eine AKW-Laufzeitverlängerung?
FAQNein. Es gibt einen hausinternen Vermerk vom 1. März 2022, in dem das zuständige Fachreferat für die Abteilungsleitung Fragen einer Laufzeitverlängerung detailliert behandelt. Unter der Zwischenüberschrift "Mit der nuklearen Sicherheit verträgliche Szenarien" werden a) ein unveränderter Atomausstieg, b) ein Streckbetrieb und c) eine Laufzeitverlängerung abgehandelt. Durch das bloße Zitieren der Zwischenüberschrift wurde in der Berichterstattung der Eindruck erweckt, diese drei Szenarien seien per se unter Aspekten der nuklearen Sicherheit problemlos möglich. Tatsächlich aber listet der Vermerk auf, welche Probleme gelöst und welche Bedingungen erfüllt werden müssten, damit die Sicherheit auch gewährleistet wäre. Der Vermerk dokumentiert auf mehreren Seiten die hohen Hürden und Probleme, die dafür gelöst werden müssten.
In Bezug auf eine Laufzeitverlängerung formuliert der Vermerk substantielle Bedenken. Als zentrales Problem der nuklearen Sicherheit, das "längerfristigem Weiterbetrieb" entgegensteht, hält er fest: "Bei einem Weiterbetrieb wäre also die letzte Sicherheitsüberprüfung entgegen den gesetzlichen und internationalen Anforderungen dreizehn Jahre veraltet." Die Rede ist hier von der sogenannten periodischen Sicherheitsüberprüfung. Diese sehr tiefgehende Prüfung anhand des seit der letzten Überprüfung 2009 grundlegend überarbeiteten kerntechnischen Regelwerks ist gesetzlich und europarechtlich vorgeschrieben und soll sicherstellen, dass die nach den neuesten Erkenntnissen notwendigen Nachrüstungen erfolgen. Die Betreiber befürchteten bei Durchführung der Sicherheitsüberprüfung einen erheblichen Investitionsbedarf zur Beseitigung von erkannten Sicherheitsdefiziten.
Neben der fehlenden umfassenden Sicherheitsüberprüfung hält der Vermerk eine Reihe weiterer Problemen fest, deren Lösung für eine Laufzeitverlängerung erforderlich wäre: Ermüdung von mechanischen Komponenten, Nachholung von Prüfungen, die aufgrund bevorstehender Abschaltung unterbleiben durften (Personal- und Prüftechnik), Vorhaltung von speziellen Ersatzteilen, deren Hersteller nicht mehr liefern können, Neueinstellung von Personal, das zwei bis drei Jahre geschult werden muss.
An keiner Stelle bezeichnet der Vermerk diese wesentlichen Hürden in der nuklearen Sicherheit als vernachlässigbar oder lösbar.
Die Probleme, insbesondere die fehlende periodische Sicherheitsüberprüfung, hätten für eine Laufzeitverlängerung über einen Streckbetrieb hinaus einer mehrjährigen Abarbeitung bedurft. Der Vermerk konstatiert zudem, dass es lediglich dann keine offenen Fragen oder Probleme beziehungsweise Bedenken gebe, wenn es beim Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 bleibe.
Vermerk vom 01.03.2022: Laufzeitverlängerungen deutscher Kernkraftwerke
Enthalten in Fragen und Antworten zu
Atomausstieg: AKW-Laufzeitverlängerung
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