Digitale Sequenzinformationen aus genetischen Ressourcen
DSI steht für Digitale Sequenzinformationen aus genetischen Ressourcen. Dabei wird beispielsweise die DNA, also der Träger der Erbinformation eines Lebewesens (wie Pflanze, Tier, Pilz) oder Virus sequenziert und als Abfolge von Buchstaben dargestellt. Diese Darstellung wird in digitaler Form gespeichert. Viele DSI werden in frei zugänglichen großen Online-Datenbanken gesammelt und sind kostenlos nutzbar.
FAQ Digitale Sequenzinformationen aus genetischen Ressourcen
FAQs
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DSI ermöglichen Forschung. Diese kann kommerziellen Zwecken dienen, wenn zum Beispiel Pharma- oder Chemieunternehmen auf der Basis von DSI Produkte oder Patente entwickeln, mit denen sie Geld verdienen. DSI werden aber auch für Grundlagenforschung genutzt. Das gilt auch für die Biodiversitätsforschung, also zum Beispiel Forschung zum Zustand der Natur oder zur Ausbreitung von Arten. Der Vorteil der Sammlung von DSI in großen, frei zugänglichen Online-Datenbanken ist, dass dadurch riesige Datensätze zugänglich und analysierbar werden.
Um zum Beispiel die antibakterielle Wirkung eines Pilzes für ein Antibiotikum nutzen zu können, kann es hilfreich sein zu wissen, welche Gene für diese Eigenschaft verantwortlich sind und wo sie im Genom liegen. Dafür braucht man die Sequenzinformationen und die Möglichkeit, große Datensätze miteinander zu vergleichen. Inzwischen ist es teilweise möglich, Produkte ausschließlich auf der Basis von DSI zu entwickeln. Statt um die Welt zu fliegen, um zum Beispiel eine Pflanze im Regenwald mit ihren genetischen Ressourcen und deren besonderen Eigenschaften aufzusuchen, zu erforschen und dann zu nutzen, reicht in vielen Fällen der Zugang zu DSI in der Datenbank. Zum Beispiel konnten Coronatests und Impfstoffe nur deshalb so schnell entwickelt werden, weil Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die digitalen Sequenzinformationen zugreifen konnten.
Stand:
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Eines der Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) ist die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergeben. Wenn Unternehmen also eine biologische Ressource aus einem anderen Land nutzen und daraus Vorteile erzielen, sollten diese Vorteile mit dem Herkunftsland geteilt werden. Zu Vorteilen zählen die monetären (Geld) Gewinne, aber auch die so genannten nicht-monetären Vorteile zum Beispiel die Publikation von Forschungsergebnissen oder das Wissen um die Anwendung. Für genetische Ressourcen wurden die Vorteile meist zwischen zwei Staaten vereinbart und geteilt. Ein multilateraler Mechanismus hat den Vorteil, dass diejenigen, die Vorteile ziehen, die Bedingungen nicht jedes Mal neu verhandeln müssen. Für DSI wäre das ohnehin sehr schwierig, da sie öffentlich zugänglich und ihre Herkunft oft nicht mehr zuzuordnen ist. Auch hilft Multilateralismus bei der Transparenz der gleichmäßigen Verteilung der Mittel.
Stand:
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Stand der internationalen Verhandlungen zum Vorteilsausgleich
Die Vertragsstaaten der CBD beschlossen 2010 das Nagoya-Protokoll. Es regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben. Hierzu zählt zum Beispiel eine Beteiligung an den Gewinnen aus Patenten oder auch die Einbeziehung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Herkunftsland der genetischen Ressource in die Forschungsarbeiten. Das Nagoya-Protokoll soll Biopiraterie verhindern. Unter Biopiraterie versteht das Protokoll, dass genetische Ressourcen oder das traditionelle Wissen um die Wirkung der Ressource genutzt werden, ohne eine Zustimmung der betroffenen Länder oder indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften einzuholen und ohne diese an den erzielten Gewinnen zu beteiligen. Einige Länder, die sich in erster Linie als "Bereitstellungsländer" genetischer Ressourcen verstehen, hatten die Sorge, dass die unter CBD und Nagoya-Protokoll etablierte Vereinbarung zu Zugang und Vorteilsausgleich durch den derzeitigen Umgang mit DSI ausgehöhlt werden könnte.
Konkret sorgte sie: Wenn die Informationen über den genetischen Aufbau einer Pflanze frei zugänglich und unkompliziert abrufbar sind, würden die Nutzenden sich nicht mehr die Mühe machen, ein möglicherweise zeit- und kostenintensives Verfahren zu durchlaufen, um Zugang zur echten Pflanze zu bekommen. Damit würde der vorgeschriebenen Vorteilsausgleich entfallen. Aber nur für die Nutzung der physischen Pflanze könnte das Ursprungsland nach den geltenden Regelungen (aus dem Nagoya-Protokoll) entschädigt werden.
Stand:
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Bereits 2016 wurden digitale Sequenzinformationen über genetische Ressourcen (DSI) daher im Rahmen der CBD und seines Nagoya-Protokolls behandelt. Innerhalb der Bundesregierung ist das BMUKN federführend für die Verhandlungen zu DSI.
Seitdem wurden auf jeder Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties, COP) unter schwierigen Verhandlungen Fortschritte auf dem Weg zur Entwicklung eines multilateralen Mechanismus erreicht. Auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (CBD-COP 15) in Montreal wurde der multilateralen Vorteilsausgleichsmechanismus für DSI (DSI-MLM) sodann beschlossen. In der Zeit bis zur COP 16 wurde weiter daran gearbeitet, die Operationalisierung des Mechanismus voranzutreiben. Auf der COP16 schließlich konnten die Modalitäten für die Operationalisierung des DSI-MLM, inklusive eines globalen Fonds, beschlossen werden.
Stand:
Digital sequence information on genetic resources
Weltnaturkonferenz (CBD COP 15)
Weltnaturkonferenz (CBD-COP 16)
Modalitäten für die Operationalisierung des DSI-MLM (PDF extern, 200 KB, auf Englisch)
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Der Beschluss 16/2 definiert die Grundlagen sowie die Modalitäten für die Operationalisierung des multilateralen Vorteilsausgleichsmechanismus (MLM) für die Nutzung von DSI aus genetischen Ressourcen. Zudem enthält der Beschluss die Einrichtung eines globalen Fonds, den sogenannten "Cali Fonds". Darüber hinaus beinhaltet der Beschluss ebenfalls Festlegungen zu einem Steuerungsgremium für den Mechanismus und Fonds:
- Der Mechanismus formuliert Zahlungserwartungen an die Industrie-Sektoren, die durch die Nutzung von DSI Geld verdienen. Für die Höhe der Zahlungen nennt er Richtwerte und definiert die Größe der Unternehmen von denen Zahlungen erwartet werden.
- Alle, die DSI nutzen und davon profitieren, sollten ihre erzielten Vorteile teilen. Damit ist nicht nur Geld gemeint, sondern auch nicht-monetäre Vorteile. Das können wissenschaftliche Veröffentlichungen sein, aber auch das Wissen, mit DSI zu arbeiten.
- Datenbanken, die DSI öffentlich bereitstellen, sollten die Datenbanknutzenden darüber informieren, dass sie mögliche monetären Vorteile teilen sollen. Die Datenbanken sollten den Zugang zu DSI weiterhin offen belassen und Daten über Herkunft und die Nutzung von traditionellem Wissen, das im Zusammenhang mit der genetischen Ressource steht, von den DSI-Hochladenden angeben lassen.
- Vertragsstaaten werden dazu aufgerufen, Anreize zu schaffen, um Zahlungen durch die Wirtschaft zu ermöglichen.
- Weiterhin sollten Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen, die dafür sorgen, dass die Datenbankbetreibenden die Entscheidung umsetzen.
- Die eingenommenen Gelder sollen an Entwicklungs- und Schwellenländer verteilt werden. Da die CBD erkannt hat, dass indigene Völker und lokale Gemeinden einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten und das Erreichen der Ziele der CBD dadurch unterstützen, sollten mindestens die Hälfte der Gelder, die an die Länder ausgezahlt werden, den indigenen Völkern und lokalen Gemeinden darin zugutekommen.
Aufgrund der schwierigen Verhandlungen konnten der MLM und der Fonds nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet werden. Dies soll daher bis zur COP17 geschehen.
Zum Beispiel gibt es noch keinen Verteilungsschlüssel, nach dem die Gelder an die Entwicklungs- und Schwellenländer verteilt werden können Dafür wird eine Arbeitsgruppe (Ad Hoc Technical Expert Group, AHTEG) eingerichtet, die den Schlüssel entwickeln soll. Bis die letzten Punkte ausgearbeitet und festgelegt sind, ist es Aufgabe des mit Beschluss 16/2 eingerichteten Steuerungskomitees, über diese Dinge zu entscheiden. Da es im Bundesinteresse ist, die Operationalisierung des DSI-MLM zu ermöglichen, finanziert und veranstaltet das BMUKN als Gastgeber die erste in-Persona-Sitzung des Steuerungskomitees im September 2025. Im Juni 2025 tagte das Komitee bereits online.
Multilateraler Vorteilsausgleichsmechanismus (MLM) (PDF extern, 200 KB, auf Englisch)
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Für BMUKN sind für den multilateralen Vorteilsausgleichsmechanismus für DSI folgende Aspekte besonders wichtig:
- Der Mechanismus soll verlässlich und zukunftssicher sein.
- Er muss für alle Vertragsstaaten zufriedenstellend sein.
- Er soll neue finanzielle Mittel für den Erhalt der Biodiversität zur Verfügung stellen. Neu daran ist, dass die Privatwirtschaft ihre monetären Vorteile aus DSI teilt und in einen Fonds einzahlt.
- Der offene Zugang zu DSI in öffentlichen Datenbanken muss für Forschende weltweit erhalten bleiben. Damit sollen negative Auswirkungen unter anderem auf die Biodiversitätsforschung und andere Grundlagenforschung vermieden werden.
- Auch eine Nachverfolgung von einzelnen DSI-Sequenzen (tracking und tracing) sollte vermieden werden.
Deutschland/BMUKN ist an die generellen völkerrechtlichen Vorgaben der CBD gebunden und sieht sich den konkreten politischen Handlungsaufträgen aus dem Beschluss 16/2 verpflichtet. Der Cali-Fonds kann einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Ziele der CBD und deren globalen Vereinbarung zum Schutz der Natur (Globaler Biodiversitätsrahmen / Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, GBF) leisten. Daher möchte das BMUKN die für Deutschland relevanten Aspekte des Beschlusses möglichst bald und effektiv national angehen.
Dafür hat das BMUKN eine Reihe von Workshops organisiert, um innerhalb der Bundesregierung zu einem gemeinsamen Verständnis des Beschlusses zu kommen. Da die DSI-nutzende Industrie eine Schlüsselrolle als Einzahlende hat, wird in einem ersten Schritt festgestellt, welche Anreize für die Industrie sinnvoll wären. Auch den Austausch mit Datenbanknutzenden und -betreibenden forciert das BMUKN. Sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene setzt sich BMUKN dafür ein, effektive gesetzliche und politische Maßnahmen zu ergreifen, um Anreize zur Zahlung in den Cali-Fonds für DSI-nutzende Unternehmen zu schaffen. Darüber hinaus wird sich das BMUKN dafür einsetzen, dass Datenbankbetreibende bei der Umsetzung der für sie relevanten Aspekte der DSI-Entscheidung unterstützt werden.
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin in den Prozess der Weiterentwicklung und Ausgestaltung des Mechanismus einbringen und daran mitarbeiten.
Stand:
Der Beschluss von Montreal zum Schutz der Natur
Globaler Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal (GBF) (PDF extern, 245 KB)