– Es gilt das gesprochene Wort –
Frau Anja Siegesmund (geschäftsführende Präsidentin des BDE),
Herr Jan Ceyssens (Europäische Kommission, Stellvertretender Kabinettschef der EU-Kommissarin für Umwelt, Wasserresilienz und Kreislaufwirtschaft),
Frau Anna Cavazzini (Mitglied des Europäischen Parlaments),
Frau Dr. Sandra Detzer (Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen),
Herr Michael Thews (Bundestagsfraktion SPD),
Herr Prof. Dr. Martin Faulstich (Vorstand Institut für die Zukunft der Industriegesellschaft),
Damen und Herren,
ich habe die Einladung zum "Tag der Kreislaufwirtschaft" gern angenommen. Das Thema liegt mir besonders am Herzen – und zwar schon lange bevor ich Bundesumweltminister geworden bin.
Kreislaufwirtschaft bietet Lösungen für viele Probleme
Politik bedeutet für mich grundsätzlich, nach Lösungen für all die kleinen und großen Probleme in Staat und Gesellschaft zu suchen und dann Ideen und möglichen Lösungen zur Mehrheit oder zum Durchbruch zu verhelfen.
Man muss nicht primär Umweltpolitiker sein, um zu erkennen, dass die Kreislaufwirtschaft Lösungen für viele der drängenden Probleme bietet:
- Mit Kreislaufwirtschaft können wir die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger machen,
- die Rohstoffversorgung langfristig sichern
- und neue Wachstumsfelder erschließen.
- Aus Sicht des Umweltministers besonders spannend: Kreislaufwirtschaft kann die weitere Vermüllung der Umwelt verhindern und Treibhausgasemissionen reduzieren.
Sie haben als Bundesverband das Lösungspotenzial für den "Tag der Kreislaufwirtschaft" mit den drei Begriffen Rohstoffsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung zusammengefasst. Ich finde, das trifft es sehr gut.
In einer Welt voller Unsicherheiten und schwindender Gewissheiten ist es von zentraler Bedeutung, eigene Stärken zu erkennen und auszubauen. Die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft in Deutschland ist eine solche Stärke. Der heutige Tag ist eine gute Gelegenheit, über die Perspektiven und die nächsten Schritte ins Gespräch zu kommen.
Die NKWS – kein Papier für die Schublade
Wie Sie wissen, ist unter Federführung des Bundesumweltministeriums eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie erarbeitet und noch vom damaligen Bundeskabinett verabschiedet worden. Die NKWS bleibt auch für diese Bundesregierung eine wichtige Arbeitsgrundlage, wie Sie dem Koalitionsvertrag entnehmen können. Eine gute Strategie ist kein Papier für die Schublade. Wir werden sie umsetzen.
Denn es ist vollkommen klar, dass wir ein Mehr an Kreislaufwirtschaft brauchen. Die Gründe sind vielfältig:
- Wir müssen uns aus der Abhängigkeit problematischer Staaten bei den Rohstoffen lösen. Wie folgenschwer das ist, hat das abrupte Ende der russischen Öl- und Gaslieferungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gezeigt.
- Dazu kommen die aktuellen handelspolitischen Entwicklungen und Unsicherheiten.
- Vor allem aber brauchen wir in Deutschland eine neue wirtschaftliche Dynamik und Wachstumsimpulse.
Die Herausforderungen machen es notwendig, dass wir schnell ins Handeln kommen. Wir werden deshalb in den nächsten Monaten ein Eckpunktepapier formulieren, das es uns ermöglicht, ein Sofortprogramm zur Kreislaufwirtschaft zu starten.
Daneben werden wir eine Digitalisierungsinitiative zur Schließung von Stoffkreisläufen starten. Die wichtigsten Bausteine dieser Initiative sind:
- die Einführung und Nutzung von Digitalen Produktpässen,
- die Entwicklung neuer Datenräume für die Analyse von Stoff- und Warenströmen und für effizientes Handeln im Kreislauf
- und die Förderung von KI-Anwendungen für Zirkularität und Ressourceneffizienz.
Wichtige Vorhaben aus der letzten WP aufgreifen
Das vorzeitige Ende der Legislaturperiode hat dazu geführt, dass wichtige Vorhaben in der Kreislaufwirtschaft nicht abgeschlossen werden konnten. Wir werden diese Themen schnell wieder aufgreifen:
- Da sind zum Beispiel die zwei Gesetzentwürfe zum ElektroG und zum Batterie-Anpassungsgesetz (BattAnpG). Wir wollen diese sehr zügig erneut in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
- Das neue Batterierecht muss rasch in Kraft treten, denn sonst hinken wir ab August der europäischen Umsetzungsfrist hinterher.
- Das neue ElektroG soll die Elektrogerätesammlung für die Verbraucherinnen und Verbraucher erleichtern und so die in Deutschland und der ganzen EU zu niedrigen Sammelquoten steigern. Ziel auch hier: Mehr Ressourcenschonung.
Kurzfristig vielleicht noch wichtiger für die Entsorgungsunternehmen: die Brandgefahr, die von unsachgemäß entsorgten Elektroaltgeräten mit Lithium-Batterien ausgeht, muss durch bessere Sammlung und Sortierung verringert werden. Anlagenstillstände und die Zerstörung ganzer Recyclinganlagen können die Entsorgungssituation deutschlandweit beeinträchtigen.
- Seit August 2023 wird die Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen im Bauwesen in der Ersatzbaustoffverordnung erstmals durch eine bundeseinheitliche Verordnung geregelt. Aktuell läuft die die erste Evaluierung mit breiter Beteiligung aus allen Bereichen des Vollzugs sowie der kommunalen und privaten Wirtschaft. So soll der Vollzug der Ersatzbaustoffverordnung möglichst breit und praxisnah ausgestaltet werden. Wo Anpassungen erforderlich sind, werden wir diese zügig umsetzen.
- Ein weiteres wichtiges Vorhaben der Rechtssetzung: Die EU-Verpackungsverordnung ist in Kraft getreten und gilt ab dem 12. August 2026 in den Mitgliedstaaten unmittelbar. Bis spätestens dann werden wir die Anforderungen für Deutschland umsetzen und dabei nationale Spielräume nutzen.
Ins Handeln kommen – in allen Bereichen und auf allen Ebenen
Ich habe natürlich auch die öffentliche Beschaffung im Blick, die schon vom Volumen her ein gewaltiger Hebel für Kreislaufwirtschaft sein kann. Der Bund sollte hier vorangehen, etwa mit neuen Leitlinien für die Beschaffung.
Ich bin überzeugt, dass eine wirtschaftliche, bürokratiearme und schnelle Beschaffung möglich ist. Auch hier gilt: Das kurzfristig billige ist nicht unbedingt das langfristig wirtschaftlichere.
Entscheidend wird sein, dass wir ins Handeln kommen und einen langen Atem haben. Die Transformation von der linearen Wirtschaft zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft wird nicht schnell gehen. Sie berührt ein grundlegendes Prinzip der Wirtschaft und wird wahrscheinlich ähnlich komplex sein wie die Energiewende. Aber ich bin sicher: Es lohnt sich, industriepolitisch, klimapolitisch und umweltpolitisch.
Die Kreislaufwirtschaft reduziert die Abfallmengen und den Rohstoffbedarf und leistet so einen direkten Beitrag zum globalen Klimaschutz und zu unseren nationalen Klimaschutzzielen. Denn sie hilft, Treibhausgase signifikant zu reduzieren.
Dank und Einladung zur Zusammenarbeit
Es ist dieser vielfache Nutzen, der die Umsetzung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit macht. Ich möchte die Umsetzung gern im Austausch mit Ihnen und allen Stakeholdern erreichen. Dazu soll eine Plattform für Kreislaufwirtschaft eingerichtet werden. Ich hoffe auch hier auf Ihre Unterstützung.
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen "Tag der Kreislaufwirtschaft" und freue mich auf die Gelegenheit zum Austausch und die Zusammenarbeit. Vielen Dank.