Tausende Heavy-Metal-Fans testen beim diesjährigen Wacken Open Air ein neuartiges Regionalprodukt: Bodenschutzmatten hauptsächlich aus Moorpflanzen von wiedervernässten Moorflächen, entwickelt vom Projekt Klimafarm der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Bewährt sich der Einsatz der Matten, könnten sie künftig häufiger bei der Wegebefestigung, zum Beispiel auf anderen Festivals, eingesetzt werden. Die 200 Meter lange Teststrecke aus geernteten Moorpflanzen und darüber verteilten Holzhackschnitzeln verbindet Zeltbereiche mit dem Festivalvorplatz – und soll beim viertägigen Festival den Weg matschfrei halten. Heute besuchten Bundesumweltminister Carsten Schneider und Landesumweltminister Tobias Goldschmidt den experimentellen Pfad.
Bundesumweltminister Carsten Schneider: "Landwirte, die nasse Moore bewirtschaften, müssen ihre Produkte auch verkaufen können. Es gibt gute Ideen von Versandkartons über Wasserbüffel bis zu Dämmmaterial. Auf dem Festival wird erstmals ein neues Produkt getestet: Erosionsschutzmatten. Ich bin gespannt, ob sie den 'Härtetest Wacken' bestehen."
Tobias Goldschmidt, Umweltminister Schleswig-Holstein: "Die Klimafarm-Matten sind ein echtes Schleswig-Holstein Projekt: Nachhaltigkeit bei Festivals und Großveranstaltung bekommt buchstäblich festen Boden unter die Füße - und auch viele andere Anwendungen sind denkbar. Mit cleveren Ideen wie dieser geht der Norden voran in Richtung umfassend nachhaltige Zukunft. Mit Kreativität und Innovation wird die Landwirtschaft zum Partner im Moorschutz und die Klimafarm ist mittendrin. Das ist großartig."
Von einer "wahren Win-Win-Kooperation" sprechen Thomas Jensen und Holger Hübner, Gründer und Veranstalter des Wacken Open Air. Beide begrüßten die Minister auf dem Gelände, gemeinsam mit Dr. Elena Zydek, der Projektleiterin der Klimafarm. "Dass sowas bei uns ausprobiert wird, finden wir großartig! Wir sind als Festival sehr interessiert daran, uns immer weiter zu entwickeln, nachhaltiger zu werden, und gute Lösungen zu finden", fügt Insa Trede, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Wacken Open Airs hinzu.
Heimisch-nachhaltige Alternative
So genannte Erosionsschutzmatten werden bisher vor allem im Straßen- und Uferschutz eingesetzt – meist aus Kunststoff oder ausschließlich Kokosfaser. Die neue Variante verwendet Kokosfaser nur noch als strukturgebendes Geflecht auf der Unterseite. Zum Großteil besteht sie aus Moorpflanzen von wiedervernässten Wiesen aus der Eider-Treene-Sorge-Niederung, im Herzen von Schleswig-Holstein, wo das durch Bundesmittel geförderte Projekt Klimafarm seinen Sitz hat.
"Wenn unsere Matten tausende Metalheads aushalten, dann schaffen sie es überall", so die Projektleiterin Dr. Elena Zydek zu dem Produkt-Test. Entwickelt wurden die Matten gemeinsam mit den Unternehmen re-natur, Schierbecker (beide Schleswig-Holstein) und mst-grünfix (Niedersachsen). Der Wacken-Test ist mehr als nur ein Probelauf – es ist die ganz große Bühne für eine nachhaltige Idee.
Projekt Klimafarm: Moorpflanzen als Rohstoff mit Zukunft
Seit 2021 erprobt das durch das BMUKN geförderte Projekt "Klimafarm", wie sich natürlich wachsende Moorpflanzen, sogenannte Paludikulturen, effizient auf wiedervernässten Moorflächen ernten und verwerten lassen. Ziel ist es, neue Produkte und Wertschöpfungsketten für moorreiche Regionen zu entwickeln, die für private Landwirtinnen und Landwirte attraktive Geschäftsmodelle bieten, welche zugleich naturverträglich sind. Das Bundesumweltministerium fördert das laufende Pilotvorhaben Klimafarm im Zeitraum von 2021-2031 mit mehr als 20 Millionen Euro.
"Für nasse Moorflächen müssen neue Bewirtschaftungsformen her", erklärt Zydek. "Wertschöpfung mit Natur- und Klimaschutz zusammendenken ist das Beste, was wir tun können!"
Moore für den Klima- und Artenschutz
Über 90 Prozent der deutschen Moore sind trockengelegt – mit Folgen: Treibhausgase entweichen, Böden schrumpfen, die Nutzung wird schwieriger.
Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein renaturiert seit 1978 Moorflächen – durch das Entfernen von Drainagen, Schließen von Gräben und Bau von Dämmen. So entsteht eine Art "XXL-Badewanne", die Wasser hält und das Ökosystem Moor zurückbringt.
Klimafarm-Matte auf zukünftigen Festivals?
Die Idee für den Festival-Test kam aus dem Projektteam selbst. "Festivals versinken oft im Matsch – warum nicht dort mal unsere Matten testen?", erinnert sich Zydek. Die Anfrage bei den Veranstaltern des Wacken Open Airs stieß auf Begeisterung. Und auch wenn erst am Ende des Festivals klar ist, wie gut die Matten für die Extrembedingungen geeignet sind – ob sie zerreißen oder den Boden befestigen können – eines ist sicher: Mit dem Test in Wacken geht die Idee erstmals in den Realbetrieb – und das gleich auf einer der sichtbarsten Bühnen des Nordens. "Das ist eine Riesenchance, zu zeigen, was in unseren Mooren steckt", so die Projektleiterin.