– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Nienhaus,
sehr geehrte Frau Wittwer
meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor ein paar Tagen hat mich Michael Bauchmüller von der Süddeutschen Zeitung interviewt und seine erste Frage war: "Dämmert Ihnen schon, vor welch undankbarer Aufgabe Sie stehen?" Ich habe darauf geantwortet, dass der Klimaschutz eine riesige Aufgabe ist, die wir bewältigen müssen und können. Dann kam die Nachfrage: "Wenn Sie mit dem Klimaschutz ernst machen, machen Sie sich unbeliebt. Und wenn Sie sich nicht unbeliebt machen, reißen Sie die Klimaziele."
Dieser kurze Dialog beschreibt ziemlich gut das Spannungsfeld, in dem ein Umwelt- und Klimaschutzminister agiert. Aber ich glaube, dass Klimapolitik populär sein kann, obwohl sie den Menschen etwas abverlangt. Und zwar, wenn sie in dem Wissen agiert, dass sie den Menschen etwas abverlangt und deshalb gleichzeitig Entlastungen schafft, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Ich möchte Ihnen heute meine Ideen erläutern, wie wir Veränderung hinbekommen können. Die beiden Hauptfragen für mich sind dabei: Wie sieht nach dem Streit der letzten Jahre eine Umwelt- und Klimapolitik aus, die verbindet? Und: Was hat Deutschland davon, voranzugehen?
Ich möchte zunächst ein paar Eindrücke aus meinen ersten Wochen im Amt schildern. Vom Tag der Kreislaufwirtschaft, von der Jahreskonferenz des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft oder einem Transformationsgespräch bei der Bertelsmann-Stiftung. Ich war bei meiner polnischen Amtskollegin und habe mit ihr darüber gesprochen, wie wir ein erneutes Fischsterben in der Oder verhindern können. In Nizza hat die UN-Ozeankonferenz beraten, wie wir unsere Meere besser vor Übernutzung und Vermüllung schützen können.
Bei all diesen Terminen ging es immer um die Folgen des Klimawandels. Wie deswegen Geschäftsmodelle anders ausgerichtet und Produkte umgestellt werden müssen. Oder wie in den Kommunen die Infrastruktur angepasst werden muss.
Der Klimawandel und seine Folgen stehen überall auf der Tagesordnung. Weil er überall gesehen und erlebt wird. Und weil die Menschen verstanden haben, dass wir etwas tun müssen – und viel wichtiger: dass sie etwas tun können. Es gibt immer mehr Solaranlagen auf den Dächern, Wärmepumpen werden in jedem neugebauten Haus installiert, E-Autos sind nicht mehr nur Statussymbole für politische Korrektheit. Klimafreundliches Handeln ist längst im Alltag angekommen. Und zwar, weil diese Lösungen sinnvoll sind, weil sie Geld sparen, weil viele Menschen teilhaben wollen am Projekt Klimaschutz. Die Veränderung bedeutet also eine Verbesserung!
Und trotzdem: Umwelt- und Klimaschutz sind ein gesellschaftliches Spalterthema. Nicht nur bei uns, sondern weltweit. Es ist ein Kulturkampf entstanden, häufig bar jeder Fakten. Von der Kampagne gegen das Heizungsgesetz bis zum wiederholten Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen durch die Trump-Administration. Insbesondere die populistische Rechte benutzt das Heizungsgesetz, die Klimaziele oder das Ende des Verbrennerautos, um unsere demokratischen Institutionen und Prozesse auszuhöhlen. Ich möchte den Populisten nicht das Feld überlassen. Umwelt- und Klimapolitik ist im Interesse der gesamten Gesellschaft, vom Fließbandarbeiter im BMW-Werk bis zur Fachanwältin für Finanzrecht. Ich will, das Bewusstsein dafür wieder in der Gesellschaft verankern.
Mir ist das Verbindende von Natur-, Umwelt und Klimaschutz besonders wichtig. Es sind unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen, es ist unsere gemeinsame Natur, unsere Landschaft und unser Wald, unsere Seen und Flüsse. Fast jeder, den man fragt, würde doch wahrscheinlich sagen: Das muss geschützt und erhalten werden.
Wenn wir den Spaltern und Angstmachern ihr Geschäft erschweren wollen, dann müssen wir den sozialen Ausgleich beim Klimaschutz immer mitdenken. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwächere. Dieses Grundprinzip ist in Deutschland zum Glück anerkannt und muss auch hier gelten. Es ist meine Leitlinie für die Umwelt- und Klimapolitik in den nächsten vier Jahren.
Wir müssen uns aber immer im Klaren darüber sein, dass es verschiedene Interessen in unserem Land gibt. Bei allen Ambitionen im Klimaschutz dürfen wir nicht vergessen, dass Deutschland eine starke Wirtschaftsnation ist. Klimapolitik in Deutschland geht nur im Schulterschluss mit Wirtschaft und Industrie. Ich werde daher immer den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett suchen – und zwar am Besprechungstisch und nicht auf den Titelseiten.
Klar ist aber auch: Ein Rückschritt hinter die beschlossenen Ziele oder erratische Kehrtwenden in Grundsatzentscheidungen wird es mit mir nicht geben. Es braucht Planungssicherheit. Und es muss fair zugehen beim Wandel hin zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Deutschland. Die Kosten für die Auswirkungen des Wandels müssen gerecht verteilt werden. Dann ist eine Umwelt- und Klimapolitik möglich, die verbindet.
Wie lassen sich also meine Leitgedanken – Austausch der Interessen und soziale Ausgestaltung des Klimawandels – in praktische Politik umsetzen?
In der vergangenen Woche haben wir im Kabinett den Haushalt 2025 beschlossen. Der Haushalt hat einen klaren Schwerpunkt: Investitionen. Wir planen Rekordinvestitionen in Höhe von über 115 Milliarden Euro. Wir ermöglichen damit einen dringend nötigen Modernisierungsschub für unser Land: für gute Schulen, Kitas und Krankenhäuser, für moderne Bahnstrecken, Brücken und Straßen.
Aus Sicht meines Hauses von besonderer Bedeutung: Wir investieren in den Klimaschutz, in die Transformation der Industrie und in das Gelingen der Verkehrswende. So werden wir noch in diesem Jahr knapp 22 Milliarden Euro für Investitionen für die Bahn-Infrastruktur bereitstellen.
Weitere Entlastungen hat diese Bundesregierung jetzt mit dem Haushaltsentwurf auf den Weg gebracht. Wir werden die Energiepreise senken, indem wir die Netzentgelte reduzieren und die Gasspeicherumlage abschaffen.
Wir müssen noch viel mehr über diese Entlastungen reden, um Ängste und Sorgen abzubauen. Hinzu kommt jetzt sehr zeitnah der Plan für sozialen Klimaschutz, mit dem wir Mittel aus dem Klimasozialfonds der EU beantragen können.
Die Bundesregierung wird zudem das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz ausbauen, mit dem wir in die Wiedervernässung von Mooren, den Umbau unserer Wälder und das Pflanzen von Stadtbäumen investieren. So schützen wir das Klima und die Natur und erreichen eine größere Akzeptanz – und machen damit eine verbindende Umwelt- und Klimapolitik möglich.
Meine Damen und Herren,
viele fragen sich auch, ob es eine gute Idee ist, wenn wir in Deutschland und Europa beim Klima- und Umweltschutz vorangehen. Was haben wir eigentlich davon?
Wir sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Das Ziel ist ein zentrales Projekt der Bundesregierung. Unser Anspruch ist es, in einer klimaneutralen Welt trotzdem und gerade zu den erfolgreichsten Volkswirtschaften zu gehören.
Auch unsere internationalen Partner erwarten von uns – wie auf der Ozeankonferenz – dass Deutschland vorangeht. Mein Haus und ich sind daher intensiv dabei, die nächste Klimakonferenz in Brasilien vorzubereiten. Hier müssen wir die Weichen dafür stellen, dass wir unsere globalen Ziele erreichen – und vielleicht sogar neue und alte Partner dafür begeistern.
Deutschland ist ein Industrieland und soll es bleiben. Unser Wohlstand basiert heute auf Erfolgsgeschichten wie im GreenTech-Bereich und zunehmend auch der Kreislaufwirtschaft. Umso wichtiger ist es, für Investitionssicherheit und verbesserte Finanzierungs- und Förderbedingungen zu sorgen. Dann können unsere Unternehmen ihre Marktführerschaft ausbauen und die Märkte der Zukunft erfolgreich erschließen. Das ist auch eine Voraussetzung, um die Klimaziele zu erreichen.
Deshalb ganz klar: Ja, wir haben etwas davon, wenn wir vorangehen, weil es unsere Abhängigkeiten bei Energie und Ressourcen reduziert und Deutschland moderner, sicherer, nachhaltiger und lebenswerter macht. Wenn Deutschland zu den erfolgreichsten Volkswirtschaften gehören soll, dann zählen Umwelt- und Klimaschutz zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren.
Meine Damen und Herren,
es ist für mich also keine „undankbare Aufgabe“ – wie es Michael Bauchmüller in seiner Frage unterstellt hat – den Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland so zu organisieren, dass wir die Ziele einhalten und unsere Lebensgrundlagen besser schützen. Aber klar: Es ist eine große Aufgabe. Und auf die freue ich mich. Vielen Dank.