Programm AGuZ+ - Ende-zu-Ende Digitalisierung von BImSchG-Verfahren
Ausgangslage und Zielstellung
Um die anstehenden Herausforderungen wie den Ausbau erneuerbarer Energien, die Modernisierung der Infrastruktur oder auch den klimaneutralen Umbau der Industrie bewältigen zu können, müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren dringend beschleunigt werden. Darüber hinaus müssen Bürokratiekosten zur Stärkung der Wirtschaft durch eine konsequente Digitalisierung gesenkt werden – ohne die bestehenden Umweltstandards und Beteiligungsrechte zu senken. Die Anlagengenehmigung und -zulassung (AGuZ) ist als OZG-Fokusleistung eines der wichtigsten Verwaltungsverfahren, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern und die Energiewende voranzutreiben. Die Digitalisierung und Beschleunigung dieser Verfahren wurde in dem im Jahr 2023 verabschiedeten Bund-Länder-Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung hervorgehoben. Auch vor dem Hintergrund der Europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) ist die zeitnahe Digitalisierung von AGuZ und verwandten Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) notwendig. Das BMUKN treibt nun mit dem Programm "AGuZ+" eine umfassende Digitalisierung der Prozesse im Bereich des Immissionsschutzes voran – mit dem Ziel, Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten und einen spürbaren Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen.
Um diesen Herausforderungen wirkungsvoll zu begegnen, wurden im Rahmen des Programms zentrale Handlungsfelder identifiziert, die als gemeinsame Interessen für eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung der BImSchG-Verfahren gelten:
- Etablierung bundesweiter Architekturen und Standards für ein KI-gestütztes Ende-zu-Ende-Plattformökosystem für Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Erzielung von Interoperabilität und erhebliche Beschleunigungseffekte in der Digitalisierung.
- Ermöglichung einer gegenseitigen Nachnutzung sowie die konsequente Nutzung bereits bestehender Nachnutzungsmöglichkeiten.
- Aufteilung von Entwicklungsarbeiten im Sinne eines agilen und arbeitsteiligen Zusammenwirkens.
- Vermeidung von Parallelarbeiten und Redundanzen in der operativen Umsetzung und konkreten Entwicklung von IT-Systemen und -Komponenten.
- Finanzierung und Governance von Betriebs- und Weiterentwicklungskosten eines KI-gestützten Ende-zu-Ende-Plattformökosystems.
Aufbau des Programms AGuZ+
Für eine strukturierte Umsetzung wurde das Programm AGuZ+ gemeinsam mit unseren Partnerländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz initiiert. Im Rahmen des Programms werden zwei eng miteinander verzahnte Handlungsstränge verfolgt, die unterschiedliche Perspektiven auf die Digitalisierung im Immissionsschutz eröffnen:
- Säule 1 fokussiert sich auf die Ende-zu-Ende-Digitalisierung des BImSchG-Kernprozesses. Im Mittelpunkt steht die Optimierung der Genehmigungsverfahren unter Berücksichtigung der Erkenntnisse und des aktuellen Entwicklungsstands der Kollaborationsplattform (KOPLA) aus Nordrhein-Westfalen. Das BMUKN übernimmt hierbei eine koordinierende Rolle und unterstützt die Einbindung der Länder sowie der Wirtschaft, um eine föderale Nachnutzung sicherzustellen.
- Säule 2 nimmt den gesamten Lebenszyklus einer Anlage in den Blick. Ziel ist es, perspektivisch sämtliche Verwaltungsleistungen nach dem BImSchG in eine Plattform zu überführen. Die konzeptionellen Vorarbeiten werden durch das BMUKN gesteuert – in enger Abstimmung mit den Ländern und der Wirtschaft. Aufbauend auf diesen Arbeiten soll ein gemeinsames Zielbild entwickelt und eine Roadmap zur Umsetzung abgeleitet werden.
Austauschformate zur Einbindung relevanter Stakeholdergruppen
Regelmäßige Austausche und Workshops mit den Umweltressorts der Länder (einschließlich den Genehmigungsbehörden und relevanten Fachgremien auf Bundes- und Länderebene) sowie mit Vertretenden aus der Wirtschaft gewährleisten eine enge Verzahnung von Digitalisierungs- und Fachkompetenz. Eine koordinierte und kooperative Vorgehensweise unter Steuerung des BMUKN ist dabei ein essentieller Erfolgsfaktor. So wird die gegenseitige Nachnutzbarkeit und Integration bestehender Initiativen gesichert, verschiedene Perspektiven eingeholt und das Zielbild einer zukunftsorientierten, nutzerfreundlichen, Ende-zu-Ende-digitalisierten Lösung für BImSchG-Verfahren realisiert. Perspektivisch ist auch ein ganzheitlicher Blick auf den Lebenszyklus einer BImSchG-Anlage und aller zugehörigen Verwaltungsleistungen (zum Beispiel Emissionsberichterstattung Online (EMBE-Online), Immissionsschutz Online (IO), et cetera) notwendig. Zur Umsetzung soll eine modulare Plattform entstehen, welche bereits bestehende Lösungen integriert.
Die folgende Abbildung stellt die aktuellen Aktivitäten in den zwei Säulen des Programms AGuZ+ dar:

Abbildung 1: Aktivitäten Programm AGuZ+
Die Kollaborationsplattform (KOPLA) aus Nordrhein-Westfalen
Aktuell befindet sich das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIKE) in der Entwicklung einer Ende-zu-Ende-Lösung. Diese bildet den gesamten BImSchG-Genehmigungsprozess, von der Vorantragsphase bis zum Genehmigungsbescheid, digital ab. Nach erfolgter Anforderungsanalyse entlang des gesamten Prozesses hat NRW bereits die Vorantragsphase einschließlich der Vorantragskonferenz technisch umsetzen können.
Dabei ist die Lösung offen und skalierbar konzipiert und wird auf eine Microservices-Architektur aufgebaut, auf der sich weitere von anderen Ländern entwickelte modulare Lösungen (zum Beispiel EMBE-Online und IO-Online) perspektivisch anbinden lassen, was in Teilen bereits erfolgt ist (zum Beispiel Beteiligung.NRW, ELiA 3.0). Darüber hinaus wird im Rahmen der KOPLA der Einsatz von KI berücksichtigt. Diese KI soll unter anderem bei der formellen Vollständigkeitsprüfung unterstützen. Dabei werden durch den Einsatz von KI keine Entscheidungen getroffen, sondern lediglich Entscheidungen vorbereitet. Das "letzte Wort" hat der Mensch.
Die folgende Abbildung zeigt das Plattform-Zielbild im Hinblick auf Basis- und Querschnittsdienste der KOPLA:

Abbildung 2: Plattform-Zielbild KOPLA
Das Plattform-Ökosystem für Planungs- und Genehmigungsverfahren
Das Plattform-Ökosystem steht im Zentrum der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Ein Plattform-Ökosystem ist ein komplexes und dynamisches Zusammenspiel verschiedener Akteure, das durch gegenseitige Abhängigkeiten und Synergien geprägt ist. Im Mittelpunkt steht eine Plattform, die zentrale Funktionen und Schnittstellen bereitstellt und damit als technologische Basis dient. Diese dienen als Grundlage für die Entwicklung, Bereitstellung und Nutzung von Anwendungen oder Diensten.
Das Plattform-Ökosystem zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung besteht aus drei Ebenen: (1) Online-Dienste und Fachverfahren, (2) Planungs- und Genehmigungsplattform und (3) Plattformdienste. Die Fachverfahren nutzen weitgehend Plattformdienste, die bei Bedarf konfiguriert beziehungsweise durch eigene Dienste ergänzt werden, um Ende-zu-Ende-Prozesse abzubilden. Die Planungs- und Genehmigungsplattform stellt Basisdienste bereit, die Online-Dienste und Fachverfahren unterstützen. Die Plattformdienste setzen dabei die Funktionalitäten um, die in mehreren Prozessen benötigt aber nicht redundant entwickelt werden sollen. Damit diese Dienste effizient und flexibel eingesetzt werden können, basieren sie auf modernen technologischen Voraussetzungen wie Microservices-Architekturen, Cloud-Fähigkeit, automatischer Skalierbarkeit sowie offenen und standardisierten Schnittstellen. Darüber hinaus nutzen Plattformdienste zentralisierte Infrastrukturdienste, die aktuell zum Teil noch in der Entwicklung sind. Diese Plattformdienste sollen auf zentrale Basisdienste von Bund und Ländern zugreifen. Als erstes Fachverfahren befindet sich das Fachverfahren Wasserstoff in der Entwicklung, darauf aufbauend werden perspektivisch weitere Fachverfahren, wie dem BImSchG, angebunden.
Insgesamt erzeugt das Plattform-Ökosystem drei zentrale Mehrwerte: Es steigert die Effizienz und ermöglicht eine bessere Nutzung vorhandener Ressourcen. Gleichzeitig verbessert es die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Fachbehörden. Zudem ermöglicht es Rechtskonformität und transparente sowie integrierte Datenverarbeitung.

Abbildung 3: Plattform-Ökosystem
Nächste geplante Schritte im Programm
Die nächsten Schritte im Programm fokussieren sich auf die Etablierung von vier Arbeitsgruppen. Im August sind die Gruppen "Daten & Prozesse" sowie "Kooperation & Finanzierung" erfolgreich gestartet. In einem nächsten Schritt folgen die Arbeitsgruppen "Architektur" und "KI". Begleitend dazu wird der Austausch mit Vertretenden der Länder sowie der Wirtschaft fortlaufend weitergeführt.
Haben Sie noch Fragen oder Anregungen?
Kontakt unter:
Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Stresemannstraße 128 – 130
10117 Berlin
Referat Z II 3 – Interne Kommunikation, Verwaltungsdigitalisierung
Programm AGuZ+